Es besteht der begründete Verdacht, dass österreichische Energieanbieter zur Gewinnmaximierung ihren Arbeitspreis sachgrundlos an den aufgrund von Engpässen im Bereich fossiler Energie exponentiell ansteigenden Österreichischen Strompreisindex (kurz: „ÖSPI„) binden, obwohl einheimische Unternehmen wie die Verbund AG aufgrund der Fokussierung auf erneuerbare Energie nicht denselben Preisbildungsmechanismen und daher jedenfalls keinen vergleichbaren Kostensteigerungen unterliegen.
Der ÖSPI wird von der Österreichischen Energieagentur nach einer standardisierten Methode berechnet und zeigt daher an, um wie viel Prozent sich der Einkaufspreis für Strom im kommenden Monat gegenüber der Basisperiode, dem Vormonat und dem Vorjahr auf Grundlage eines fiktiven Beschaffungsverhaltens verändert. Genau diese Großhandelspreise für Strom und Gas sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Einheimische Energieanbieter gewinnen jedoch mehrheitlich Strom aus eigenen, nachhaltigen Quellen wie Wind- und Wasserkraft. Die Verbund AG, die über 40% des österreichischen Strombedarfs abdeckt, wirbt beispielsweise explizit damit, dass der von ihr verkaufte Strom zu 100% aus österreichischer Wasserkraft stammt.
Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen einer besonderen Inhalts- und Geltungskontrolle, um das Informations- und Interessenungleichgewicht zu Lasten von Verbrauchern auszugleichen. Die Inhaltskontrolle der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist in § 879 Abs 3 ABGB geregelt: Gröblich benachteiligende Klauseln sind nichtig. Die Inhaltskontrolle beschränkt sich dabei auf Nebenbestimmungen des Vertrags und erfasst nicht die beiderseitigen Hauptleistungspflichten.
Vertragliche Wertsicherungsklauseln (auch Preisgleitklauseln oder Indexklauseln) bezwecken grundsätzlich die Sicherung gegen den Wertverfall einer Forderung. Ein Gläubiger soll auch künftig jenen Betrag erhalten, der wertmäßig der ursprünglichen Geldschuld entspricht, aber nicht mehr.
Die Gefahr einer solchen Forderungsentwertung liegt jedoch nicht vor. Durch die Wertsicherungsklauseln sichern sich die Energieanbieter daher gerade nicht gegenüber global ansteigenden Produktionskosten im Fossilenergiebereich oder den auf kriegsbedingten Engpässen in der Energieversorgung basierenden Mehrkosten ab, da sie diesen Einflüssen mehrheitlich dank nachhaltiger Eigenerzeugung (etwa mittels Wasserkraft) ja überhaupt nicht unterliegen. Für die Bindung an den ÖSPI besteht daher kein sachlicher Rechtfertigungsgrund.
Liegen die kumulativen Voraussetzungen für eine Nichtigkeit einer Vertragsklausel nach § 879 Abs 3 ABGB vor und kommt es zum Wegfall einer Wertsicherungsklausel, ist der Energieanbieter um den überhöht bezahlten Arbeitspreis ungerechtfertigt bereichert, weshalb dieser zurückgefordert werden kann.
Bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche für Leistungen, die aufgrund nichtiger Vertragsklauseln erbracht wurden, verjähren grundsätzlich nach 30 Jahren; die Judikatur zieht jedoch bei wiederkehrenden Leistungen teilweise auch die kurze, dreijährige Verjährungsfrist heran (3 Ob 47/16g = Zak 2016/402).
Ob tatsächlich eine gröbliche Benachteiligung vorliegt und ob Ansprüche verjährt sind, ist im Einzelfall zu prüfen. Je nach Sachlage kann die erfolgreiche Anspruchsdurchsetzung für den betroffenen Konsumenten aber wirtschaftlich durchaus attraktiv sein und für dringend benötigte finanzielle Entlastung sorgen.
RA Dr. Friedrich Helml, LL.M. (Duke)
Helml Rechtsanwälte GmbH